Schüle

Autor: Dr. Michaela Schmölz-Häberlein

Stand/Quelle/Datum: 01.3.2011

  • 1) Johann Heinrich, Edler von, * 13.12.1720 Künzelsau, † 17.4.1811 Augsburg, Kattunfabrikant. Der 1745 zugezogene Schüle heiratete die Tochter seines Arbeitgebers, Catharina Barbara Cristell, machte sich mit ihrer Mitgift und Darlehen Johann Obwexers selbstständig und investierte in den Kattundruck. Bereits in den 1760er Jahren avancierte er hier zu einem der führenden süddeutschen Unternehmer. 1759 eigene Manufaktur, die als erste auf dem europäischen Festland große Mengen Rohkattune aus England und Ostindien verarbeitete und sich damit über Einfuhrbeschränkungen der Stadt Augsburg hinwegsetzte. Es kam zu Streitigkeiten mit den Webern über den Schutz der einheimischen Weberwarenproduktion. 1766 wurde er zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, seine Importe wurden beschlagnahmt, woraufhin er Augsburg verließ und sich in Heidenheim/Brenz zu etablieren suchte. 1768 entschied der Kaiser den Streit zwischen den Webern und den von Schüle angeführten Kattunfabrikanten zugunsten der Unternehmer. Schüle kehrte nach Augsburg zurück und begann den Bau seiner Fabrik am Roten Tor (Schülesche Kattunfabrik, 1772). 1772 Nobilitierung; Privileg zur Herstellung bestimmter Stoffmuster. Der in Schüles Unternehmen produzierte ’Augsburger Zitz’ genoss Weltruf. In den späten 1770er und frühen 1780er Jahren wurden insgesamt 75.000 Kattunstücke produziert; 1785 etwa 3500 Beschäftigte. Bereits Mitte der 1780er Jahre ging die Produktion merklich zurück; Schüle geriet zunehmend unter Konkurrenzdruck durch andere Kattunfabriken, die Textilien gleicher Qualität lieferten. In Schüles Unternehmen lernten und arbeiteten sein Neffe 2) wie auch sein Schwiegersohn Jean-Michel Haussmann, ein Pionier der französischen Kattunindustrie. Seine Söhne übernahmen 1792 die im Niedergang befindliche Firma, die dann in den napoleonischen Kriegen fallierte.
  • Schülestraße (1879, Bahnhofs- und Bismarckviertel, Amtlicher Stadtplan K 9).
  • 2) Matthäus, 18. Jahrhundert, Kattundrucker. Kattundruckerlehre bei seinem Onkel 1). Heiratete im Juni 1762 die Witwe von Jean-François Gignoux, Euphrosine Ursula, geb. Mayer. Bezog bereits 1767-1769 ostindische Kattune und Farbwaren bei dem Kriegshaberer Juden Isaak Goldschmidt im Wert von 50.000 Gulden, 1772 Gesellschafter der Kattunfabrik des Grafen Joseph Bolza im böhmischen Josefsthal-Cosmanos, zog sich aber aufgrund eines Konflikts wegen unverzollt eingeführter Augsburger Chemikalien zurück. Nahm 1775-1781 Augsburger Webern insgesamt 75.232 Kattune ab, stand damit neben den Erben seines Schwiegervaters zeitweise an der Spitze der Augsburger Kattundrucker. Produzierte für den europäischen, russischen und – im Auftrag seiner Geldgeber Obwexer – für den lateinamerikanischen Markt. Das Druckverfahren mit Kupferplatte, für das sein Onkel bekannt wurde, konnte den spezifischen Bedürfnissen der jeweiligen Abnehmer angepasst werden.

Literatur:

Franz Eugen von Seida und Landensberg, Johann Heinrich von Schüle, 1805

Jacques Waitzfelder, Der Augsburger Johann Heinrich von Schüle, 1929

Wolfgang Zorn, Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648-1870, 1961, 44 ff.

Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 9, 1966, 211-230

Rainer A. Müller, Johann Heinrich von Schüle, in: Unternehmer - Arbeitnehmer. Lebensbilder aus der Frühzeit der Industrialisierung in Bayern, 21987, 160-170

G. Woeckel, Der Augsburger Kattunfabrikant Johann Heinrich von Schüle, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 82 (1989) 157-173

C. Simon, Labour relations at manufactures in the 18th century, in: International review of social history 39 (1994), 115-144

Claus-Peter Clasen, Textilherstellung in Augsburg in der Frühen Neuzeit 2, 1995

Mark Häberlein / Michaela Schmölz-Häberlein, Die Erben der Welser, 1995, 34, 40, 60-63, 123.

Johann Heinrich von Schüle