Offizialatsregister

Autor: Christian Schwab

Stand/Quelle/Datum: 16.12.2011

  • Das älteste im deutschsprachigen Raum noch erhaltene Offizialatsregister stammt aus Augsburg und beinhaltet die in einem Buch zusammengefassten internen Aufzeichnungen des hiesigen bischöflichen Offizialatsgerichts vom 8.11.1348 bis 10.5.1352 (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. 772); es gehört damit neben einigen wenigen älteren Registern vor allem aus Frankreich zur seltenen Gruppe jener Zeugnisse, die uns Einblick in den Gerichtsalltag eines geistlichen Diözesanrichters gestatten. Rund 1200 Einträge dokumentieren die judikative und verwaltungstechnische Tätigkeit des Offizials. Mehr als die Hälfte sind Urteilssprüche u. a. in weltlichen Angelegenheiten (Zinsstreitsachen, Unterhaltsleistungen, Schulden, Grundstücke usw.), weshalb das Offizialat oft in Konflikt mit der weltlichen Gerichtsbarkeit, vor allem dem Stadtgericht, geriet. Den überwiegenden Anteil bilden allerdings rein kirchliche Materien (Wucher, Kirchendiebstahl, Benefizien), und hier wiederum vor allem Eheprozesse (insgesamt 591); über 400 Verhandlungen wurden angestrengt, weil die zumeist weibliche Klägerin einen Beklagten als rechtmäßigen Gatten für sich in Anspruch nahm (die klandestine, nichtöffentliche Eheschließung stellte im Spätmittelalter ein gesellschaftliches Problem dar). In den übrigen Eheangelegenheiten ging es um Verlöbnisse, Annullierungen und Trennung von Tisch und Bett. Ferner finden sich gewissermaßen behördliche Vermerke (Verlöbnisauflösungen, notarielle Eheschließungen usw.) und vor allem die sogenannten Prokuratorien, in denen eine Prozesspartei eine Person als rechtlichen Stellvertreter mit der Führung eines Rechtsstreits beauftragte. Neben rein prozessrechtlichen Eintragungen (z. B. Mahnungen, Vertagungen und sogar Exkommunikationssentenzen) sind noch Geldleihgeschäfte zu erwähnen, die Einheimische und Auswärtige vor dem Gerichtsschreiber tätigen konnten. In Augsburg setzt die Reihe der Offizialatsakten erst wieder mit dem im Archiv des Bistums aufbewahrten ’Registrum principalium’ von 1533/34 (nur Ehesachen) ein.

Literatur:

F. Frensdorff, Ein Urtheilsbuch des geistlichen Gerichts zu Augsburg aus dem 14. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kirchenrecht 10 (1871), 1-37

R. Maschke, Aus dem Urteilsbuch des geistlichen Gerichts Augsburg, in: Festgabe der Kieler Juristen-Fakultät ihrem hochverehrten Senior Albert Hänel dargebracht, 1907, 215-251

R. Weigand, Zur mittelalterlichen kirchlichen Ehegerichtsbarkeit, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abt. 67 (1981), 213-247

Bernhard Schimmelpfennig, Religiöses Leben im späten Mittelalter, in: Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 220-224

Christian Schwab, Das Augsburger Offizialatsregister (1348-1352), 2001.