Rehm

(Rem), Kaufmanns- und Patrizierfamilie

Autoren: Dr. Peter Geffcken (1) , Günther Grünsteudel (2), Dr. Josef Mančal

Stand/Quelle/Datum: 23.2.2011

  • 1) 1282 bis ins 18. Jahrhundert in Augsburg nachweisbar; vor 1317 Patriziat; 1368 Übertritt zu den Zünften; Herrenstube (Stubenzettel 1416); 1538 Wiederaufnahme ins Patriziat. Zuerst fassbar mit einem Hermann Rehm (1282-1295). Belegen lassen sich Zusammenhänge ab Berchtold (I, † 9.7. nach 1319) und seinem Sohn Berchtold (II, † 29.10.1352/ 55), die 1317 bzw 1342 als Stadtpfleger amtierten. Berchtolds (II) jüngerer Sohn Sebastian (I, † 1370/74) wird 1356 letztmals in den Steuerbüchern erwähnt, 1363-1370 ist er in Treviso bezeugt. Mit dessen Sohn Sebastian (II, † nach 1400) verschwindet dieser Zweig vor 1394 aus Augsburg (nach Ingolstadt?). Der einzige Sohn von Berchtolds älterem Sohn Johann (I, † 1339/46), der ab 1355 in den Steuerbüchern genannte Johann (II, † 1411), trat wohl 1368 der neugegründete Kaufleutezunft bei und wurde 1375-1392 viermal zum Stadtpfleger gewählt. Nach anfänglicher Zusammenarbeit (?) mit seinem in Treviso sitzenden Onkel gründete er ein eigenes Handelshaus, das zu den führenden Augsburger Firmen im Italienhandel zählte, aber auch Geschäftsbeziehungen nach Antwerpen (1405) und Brügge (1409) pflegte. Wahrscheinlich hatte auch seine zeitweilige Übersiedelung (1398-1408) nach Ulm wirtschaftliche Hintergründe. Nach seinem Tod wurde die Firma von den Söhnen, unter Leitung von Johann (III, † 1437/38), erfolgreich weitergeführt. Als die Brüder wegen einer Familienfehde 1427 ihr Bürgerrecht aufgeben mussten, verlagerte sich der Firmensitz nach Ulm. Seit den 1440er Jahren wurde das Unternehmen wohl von Lukas (I, † 1467) geleitet; 1458 wird in einer Frankfurter Quelle dessen Sohn Markus († nach 1478) als Haupt der Gesellschaft bezeichnet. Unklar bleibt, wie lange die Ulmer Gesellschaft weiterbestand, da in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts in größerem Umfang Rückwanderungen nach Augsburg erfolgten. Um 1500 und wohl auch schon früher arbeiteten die meisten Mitglieder der Familie als Teilhaber oder Faktoren in den Gesellschaften der verwandten Fugger, Hoechstetter und besonders der Welser-Vöhlin. Nachdem er im Streit bei Welser-Vöhlin ausgeschieden war, gründete Lukas (III, † 1541) 1518 mit seinen Brüdern Andres († 1537) und Johann († 1527) und unter Beteiligung von Ulrich Honold und Georg Meuting wieder eine eigene Gesellschaft. Nach seinem Tod wurde die Firma von Sohn Lukas (IV, † 1581) weitergeführt, musste aber wegen Beteiligung an Lyoner Krediten um 1562 die Zahlungen einstellen. Auch danach sind, wenn auch meist nur kurzfristig, noch selbstständige Firmen der Rehm belegt (z. B. 1566: Markus Rehm & Mitverwandte). Häufiger und längerfristig lassen sich dagegen Beteiligungen fassen: Gesellschafter von Hieronymus (II) Kraffter war um 1575-1591 Markus Rehm, als Teilhaber von Matthias Manlich sel. Erben erscheinen zwischen 1559-1599 verschiedene Nachkommen des Hieronymus (II, † 1562). Zuletzt 1618 mit größeren Vermögen belegt, fehlen für die Zeit nach dem 30jährigen Krieg bislang Hinweise auf kaufmännische Aktivitäten der Rehm. Einzelne Familienmitglieder zeigten auch ’musische’ Ambitionen: Das Tagebuch des Lukas (III) zählt zu den wichtigsten Kaufmannsautobiographien des 16. Jahrhunderts; die Augsburger Chronik des Wilhelm Rehm († 1539) gilt als die beste Bearbeitung der Chronik Hektor Mülichs und zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr, erstmals für Augsburg, Ansätze zu einer kritischen und quellenbezogenen historischen Forschung erkennbar sind.
  • 2) Bernhard Rehm († 1540/41), ein Sohn des Bartholomäus (II, † 1496/97) und der Ursula Meuting, ist zwischen 1518 und 1523 als erster Organist an der 1512 von Jakob Fugger dem Reichen gestifteten und von Johann Behaim von Dobrau gebauten Orgel von St. Anna nachweisbar. Von seiner Hand sind vier Orgelbücher erhalten geblieben, die zwischen 1514 und ca. 1519 entstanden sind, seltene Dokumente der in karmelitischer Tradition stehenden liturgischen Gattungen Messe und Offizium.
  • Rehmstraße (1879, Bahnhofs- und Bismarckviertel, Amtlicher Stadtplan K 10

Literatur:

Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichsstadt Augsburg, 1762, 158 ff.

Tagebuch des Lukas Rem 1494-1541, 1861

Quellen zur Handelsgeschichte der Stadt Nürnberg seit 1400 1/1, 1934

Clytus Gottwald, Die Musikhandschrfiten der Universitätsbibliothek München, 1968, 6 f., 47 f.

Eduard Zimmermann, Augsburger Zeichen und Wappen, 1970, 4232, 4235, 4245-4247

Musik in Bayern, Katalog, 1972, 212, 314 f.

Hermann Kellenbenz, Wirtschaftsleben der Blütezeit, in: Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 258-301

Franz Krautwurst / Wolfgang Zorn, Bibliographie des Schrifttums zur Musikgeschichte der Stadt Augsburg, 1989

Fritz Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396-1521, 1995, München Diss. 1983, 144, 198, Anh. 6-213, 225-229

Contemporaries of Erasmus, 1985-1987 3, 138 f.

Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts, 1996, 677-691

Günther Grünsteudel, „Cantate Domino canticum novum“. Zur Geschichte der Musikpflege bei St. Anna, in: St. Anna – eine Kirche und ihre Gemeinde, 2011 [in Vorbereitung].

Rehm-Epitaph im Domkreuzgang (Detail)